1. Einleitung und Motivation
Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts stieg die Zahl der im Straßenverkehr getöteten und verletzten Personen sowohl in Deutschland als auch global stetig an. Die Ursachen hierfür lagen bspw. in einer kontinuierlich steigenden Zahl an Verkehrsteilnehmern durch die zunehmende Verbreitung des Automobils und an einem Mangel an Sicherheitssystemen in den Fahrzeugen der damaligen Zeit.
Um diesem Trend entgegenwirken zu können wurden ab den 70er Jahren erste Fahrzeuge während ihrer Entwicklung auch hinsichtlich sicherheitserhöhender Maßnahmen und Funktionen ausgelegt und unter anderem mit Kopfstützen und Sicherheitsgurten ausgerüstet. Zu diesen ersten Maßnahmen kamen sukzessive weitere hinzu, wie z.B. der Airbag, das Anti-Blockier-System (ABS) oder später die Erweiterung in Form des Elektronischen-Stabilitäts-Programms (ESP).
Neben den genannten Systemen, welche die Insassen eines Fahrzeugs schützen sollen, müssen zudem die lange Zeit unbeachteten sogenannten schwachen Verkehrsteilnehmer, also Fußgänger und Radfahrer, in die gesamtheitliche Bewertung der Verkehrssicherheit mit einbezogen werden. Zu ihrem Schutz werden seit einigen Jahren passive Maßnahmen eingesetzt (siehe Kapitel 2.1), bei denen die Folgen des Zusammenpralls mit einem Fahrzeug möglichst geringgehalten werden sollen. Hierfür werden bspw. aktive Motorhauben oder möglichst weiche Karosserieteile im Frontbereich der Fahrzeuge verbaut. Zudem werden zahlreiche aktive Maßnahmen implementiert (siehe Kapitel 2.2), die den Zusammenprall im Voraus durch eine Änderung der Fahrzeugbewegung verhindern oder in kritischeren Situationen die Kollisionsgeschwindigkeit reduzieren sollen.
Für die Effektivititätsbewertung der genannten bzw. weiterer Systeme kommen diverse Methodiken zum Einsatz, die virtuell, halb virtuell oder real durchgeführt werden können. So existieren Softwareumgebungen, die das Crashverhalten des Fahrzeugs oder die Verlagerung der Insassen in einem frühen Stadium der Entwicklung beleuchten können und damit eine Aussage bzgl. der Wirksamkeitsbewertung passiver Fahrzeugsysteme erlauben. Daneben ist es möglich mit komplexen virtuellen Methoden aktive Sicherheitssysteme und ihren Einfluss auf die Fahrzeug- bzw. Verkehrssicherheit im Gesamtverbund zu evaluieren. Mit Hilfe von Fahrsimulatoren lassen sich zudem Effekte in einer virtuellen Umgebung mit einem realen Fahrer in einem realen Fahrzeugmodell untersuchen und damit vor allem Fragestellungen hinsichtlich der Mensch-Maschine-Interaktion und dem Fahrerverhalten in definierten Szenarien beantworten.
In der Realität werden passive Systeme in Crashversuchen erprobt, bei denen das Fahrzeug teilweise oder vollständig zerstört wird. Sie liefern damit den abschließenden Beweis zur Wirksamkeit der passiven Maßnahmen.
Der Realfahrversuch hingegen vervollständigt die Methodenlandschaft zur Wirksamkeitsbewertung aktiver Fahrzeugsicherheitssysteme und wird zum Ende des Entwicklungsprozesses angewendet, da hierfür ein real existierendes Fahrzeug bzw. ein Prototyp benötigt wird. Er ermöglicht es, die Funktionalität der eingebauten Systeme und damit den Sicherheitsgewinn in konkreten Szenarien zu testen und zudem die Absicherung nach technischen Richtlinien oder im Sinne eines Verbraucherschutztests, wie dem EuroNCAP, durchzuführen.
Unter der Prämisse einer zuverlässigen und konstanten Reproduzierbarkeit ist der Re- alfahrversuch seitens des EuroNCAP oder anderer Verbraucherschutzorganisationen2 genau spezifiziert. Dadurch lassen sich die von unterschiedlichen Herstellern, Instituten oder Laboren erzielten Ergebnisse zwischen unterschiedlichen Fahrzeugen vergleichen. Gleichzeitig impliziert dieser Umstand hohe Anforderungen an die Testdurchführung, um die geforderten Randbedingungen und geringen Toleranzen einhalten zu können. Dazu werden die zu testenden Fahrzeuge mit Messtechnik, Robotik und Datenerfassungssystemen ausgerüstet und zusätzlich mit Targetsystemen gekoppelt, die jedoch ein gewisses Maß an Komplexität und damit an möglichen Fehlerquellen bei der Versuchsdurchführung und der Datenerfassung aufweisen.
Eine naheliegende Schlussfolgerung liegt damit in der Automatisierung dieser Realfahrversuche, wodurch zudem die benötigte Zeit sowohl bei der Durchführung selbst als auch bei der Datenauswertung und damit der Ergebnisermittlung, also letztendlich der Bewertung der Wirksamkeit des getesteten Assistenzsystems, minimiert werden kann. Im Hinblick auf die stetig steigende Zahl an durchzuführenden Absicherungstests, welche neue Sicherheitsfunktionen und –systeme adressieren sollen, zeigt sich deutlich, dass insbesondere der Faktor zur Zeiteinsparung, neben dem Komfortgewinn und der Sicherstellung eines validen Tests, von hoher Bedeutung ist.
Zur Umsetzung dieser Anforderung wird in diesem Beitrag eine technische Lösung präsentiert, deren Aufbau und Funktionsweise erläutert sowie Einsatzmöglichkeiten auf- gezeigt werden. Außerdem sollen mögliche zukünftige Themen im Bereich der Fahrzeugsicherheit aber auch in anderen Feldern der Automobilentwicklung angesprochen werden.